Das traditionsreiche Bielsteiner Edelstahlwerk Kind & Co., das seit 1888 in vierter Generation familiengeführt wird, steht kurz vor einer bedeutenden Veränderung: Die Georgsmarienhütte Holding (GMH) plant, alle Anteile des Unternehmens zu übernehmen.
Der Erwerb ist Teil einer strategischen Expansion der GMH-Gruppe, die auch erst kürzlich die Alba Metall Saar GmbH übernommen und in GMH Recycling Saar GmbH umbenannt hat. Für den Kauf von Kind & Co. hat das Bundeskartellamt bereits seine Zustimmung erteilt, während noch auf die Genehmigung der Bundeswettbewerbsbehörde in Österreich gewartet wird. Dort betreibt die GMH-Gruppe zwei weitere Werke.
Obwohl die Vertragsparteien sich grundsätzlich über die Übernahme einig sind, wurden weder Kaufpreis noch spezifische Details der Transaktion offengelegt. Auch zur Zukunft des traditionsreichen Namens „Kind & Co.“ gibt es bisher keine Klarheit, was für die Mitarbeiterschaft eine bedeutende Frage darstellt. Die Belegschaft von rund 420 Mitarbeitern ist über den bevorstehenden Verkauf informiert, und es besteht die Hoffnung, dass die neue Eigentümerstruktur Stabilität und neue Chancen im internationalen Wettbewerb bringen könnte.
Simon Stefer, Gewerkschaftssekretär der IG Metall, äußerte seine Erwartung, dass die Arbeitnehmer unter dem neuen Eigentümer in die Tarifbindung zurückkehren werden, nachdem sich Kind & Co. hiervon in der Vergangenheit gelöst hatte. Die Gewerkschaft hofft, dass es keine Zwei-Klassen-Gesellschaft geben wird und dass die Arbeitsbedingungen der Tochtergesellschaften den gleichen Standards entsprechen wie die der Muttergesellschaft.
Die Übernahme von Kind & Co. erfolgt vor dem Hintergrund enormer Herausforderungen in der Stahlindustrie, insbesondere im Hinblick auf den notwendigen Wandel hin zu einer klimaneutralen Produktion. Um CO2-Emissionen zu reduzieren, setzt die Branche zunehmend auf grünen Strom und moderne Technologien. Kind & Co. hat bereits Schritte in diese Richtung unternommen: Eine Freiflächenphotovoltaikanlage auf einem ungenutzten Teil des Betriebsgeländes soll künftig Sonnenstrom für den Eigenbedarf des Unternehmens liefern. Dieser Strom allein wird jedoch nicht ausreichen, um die energieintensive Stahlproduktion vollständig abzudecken.
Die GMH-Gruppe, die sich als Vorreiter in der klimafreundlichen Stahlproduktion positioniert, verfolgt das Ziel, bis 2039 vollständig klimaneutral zu arbeiten. Dazu setzt das Unternehmen unter anderem auf Elektrolichtbogenöfen, die an vier Standorten der Gruppe im Einsatz sind. Diese Öfen reduzieren die CO2-Emissionen im Vergleich zu herkömmlichen Hochöfen um das Fünffache und sind ein wesentlicher Baustein der Nachhaltigkeitsstrategie der GMH.
Die Georgsmarienhütte Holding selbst, gegründet 1997 von Jürgen Großmann, beschäftigt rund 6000 Mitarbeiter an 15 Standorten in mehr als 50 Ländern und erzielt einen Jahresumsatz von etwa zwei Milliarden Euro. Als Komplettanbieter von Stahlprodukten ist GMH eine der größten in Privatbesitz befindlichen metallverarbeitenden Firmen Europas.
Die Übernahme von Kind & Co. ist somit ein weiterer Schritt in der Expansion und strategischen Ausrichtung der GMH-Gruppe, die nicht nur auf wirtschaftliches Wachstum, sondern auch auf die nachhaltige Transformation der Stahlproduktion abzielt.
Für mehr Informationen siehe den OVZ-Artikel „Bielsteiner Stahlwerk Kind & Co. wird verkauft“.
Foto: Günther Melzer