Sie bezeichnet sich als „Diplom-Animatöse“, die das Publikum diplomiert durch das Programm begleitet. Dabei kann man Christine Prayon in keine Schublade stecken. Als „Harmlos angetäuscht und klug verwandelt, absurd und präzise, mutig und schlagfertig – und sehr, sehr lustig“, wurde sie schon beschrieben – und das passt grandios.
Christine Prayon, dem Fernsehpublikum besonders als Birte Schneider aus der „ZDF heute-show“ bekannt, legt sich nicht fest, ob es bei ihr um Kabarett, Comedy oder irgendetwas Anderes handelt. Dabei verrät sie dem Bielsteiner Publikum beim Auftakt Abend zu „7-Nights-of-Fun“, dass sie sich ihr Bühnen-Programm schon vor neun Jahren ausgedacht habe – und es in verschiedenen Variationen spiele. Dabei guckt sie sich zunächst das Publikum an und entscheidet dann, welche sie auswählt. Erst einmal erscheint sie auf der Bühne recht bieder im Kleidchen, aber mit viel Witz – manchmal auch gerne böse – und dann im zweiten Teil zunächst als schillernde Diva, die „So war mein Leben“ singt. Das Diven-Gesangsstück nutzt sie, um einen Striptease der besonderen Art darzubieten – von der Diva entkleidet sie sich zum Mann, der aus seiner Feinripp-Unterhose eine rote Pappnase zieht. Es folgt ein „Mordanschlag“ mit einem Salbei-Bonbon aus dem Publikum. Der Bühnentod ist der Startschuss für weitere „überlebende multiple Persönlichkeiten“, die diesen plötzlichen Todesfall diskutieren und kommentieren. Sehr aberwitzig und absurd – aber sehr amüsant und facettenreich.
Als passionierte Schwimmerin deklamiert sie ganz am Ende des Programms im Badeanzug Mario-Barth-Zeilen. Das Ganze im Hinblick auf das Thema „Mittelmäßigkeit“ und zeitgemäße Lyrik – als Band eins mit dem Zyklus „Männer sind primitiv“. Etwas primitiv wirkt auch zunächst ihre Bühnenfigur Scarlett Schlötzmann. Die hinterlässt allerdings nur anfangs einen unterbelichteten Eindruck. Anhand von Tagebucheinträgen und Briefwechseln aus unterschiedlichen Lebensjahren erschafft Prayon das tragikomische Porträt einer geschundenen und unerschrockenen Frau – und schwenkt damit über zu einer feministischen Bestandsaufnahme. Nach 100 Jahren Frauenwahlrecht könne man ja hinter die Emanzipation einen Haken setzen, so Prayon. Scarlett Schlötzmann ist eigentlich ganz clever, denn sie weiß, was einen Bestseller ausmacht. In ihrem Frauenroman schreibt sie über Gitta, Conny und Lulu, die ein gemeinsames Problem haben: Männer. Mit Mittelmaß und vielen Klischees könne dies nur ein Bestseller werden – was die Buchverlage nicht so sehen. Sehr witzig der Schriftverkehr, den sie dem Publikum vorliest, der aus deren Absage entsteht.
Im November wurde Christine Prayon mit dem „Eddi“ ausgezeichnet. Nach dem Deutschen Kleinkunstpreis der Stadt Mainz ist er der zweitälteste Kabarettpreis der Bundesrepublik Deutschland. Und die Begründung „Sie hat keine Angst, unbequem zu sein und kämpft mit ihren Figuren gegen Vorurteile und Klischees. Dafür hat sie diesen Preis mehr als verdient“, konnte das Bielsteiner Publikum nur bestätigen.
Vera Marzinski
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