Im brasilianischen Rio Verde möchte Prof. Dr. Giffoni ein Frühförderzentrum nach Vorbild des Hauses früher Hilfen in Oberbantenberg eröffnen. Sein gleichnamiges Buch stellte der brasilianische Professor nun in Deutschland vor.
Das Haus früher Hilfen des Vereins zur Förderung und Betreuung behinderter Kinder Oberbergischer Kreis in Wiehl-Oberbantenberg bekommt ein brasilianisches Pendant. Schon im kommenden Frühjahr soll der Grundstein für ein Frühförder- und Beratungszentrum nach oberbergischem Vorbild im brasilianischen Rio Verde gelegt werden. Dabei soll in Südamerika aber mehr entstehen, als eine bloße Kopie der Wiehler Einrichtung. „Wir wollen voneinander lernen“, erklärte Dr. Wolfgang Wörster, Leiter des Hauses früher Hilfen. Er begrüßte kürzlich zum wiederholten Mal eine Delegation aus Brasilien in Wiehl.
Zu dieser Delegation gehörte erneut Prof. Dr. Alexandre Giffoni von der Universität Rio Verde. Er verfolgt in dem landwirtschaftlich geprägten Ort, der am Rande der Hauptstadt Brasília liegt, schon lange das Ziel, den Menschen Alternativen zu Armut, Gewalt und Kriminalität zu bieten. Zu diesem Zweck möchte er auch das Förderzentrum gründen. Auf das Haus früher Hilfen als mögliches Vorbild für das brasilianische Förderzentrum machte Prof. Giffoni Dr. Bernd Fichtner, emeritierter Pädagogikprofessor der Universität Siegen, aufmerksam. Er stellte den Kontakt zwischen Giffoni, den er durch seine Arbeit in Südamerika kannte, und Dr. Wörster, dessen Doktorvater er war, her.
Der erste Besuch einer brasilianischen Abordnung im Haus früher Hilfen fand im November 2017 statt und rief bei den Besuchern Begeisterung hervor: Nicht nur, dass das Förderzentrum auf die Initiative von Eltern, deren Kinder selbst Betroffene waren, gegründet wurde, auch die Konzeption der Räume beeindruckte. Denn diese sind quasi als „Spielräume“ konzipiert, in denen sich Kinder wohl und somit sicher fühlen, spielerisch ihre Möglichkeiten zu erproben. Sterile Therapieräume sucht man im Haus früher Hilfen vergebens, stattdessen erinnern die Räume an Spielplätze –und zimmer. „Wir schaffen ein Umfeld, in denen sich die Kinder wohlfühlen und sich ganz natürlich verhalten – und dieses Umfeld nutzen wir für unsere therapeutische Arbeit“, erklärte Dr. Wörster den Ansatz seines Hauses.
Diesen Ansatz studierte Giffoni bei einem zweiten Besuch in Wiehl: Von Oktober 2018 bis Februar 2019 schaute er dem multiprofessionellen Team des Hauses über die Schulter, interviewte Mitarbeiter, Kinder und Eltern. Aus den so gewonnenen Erkenntnissen entstand das Buch „Haus früher Hilfen“, das nun veröffentlicht wurde und das Giffoni bei seinem aktuellen Besuch in Deutschland vorstellte.
Nach dem Vorbild des Wiehler Hauses soll auch das Förderzentrum in Rio Verde ein „Haus der Möglichkeiten“ werden. Die Kinder sollen spielen, toben, sich wohlfühlen und vor allem – sich selbst erfahren. „Wir fokussieren nicht die Probleme, sondern zeigen dem Kind im Spiel die Möglichkeiten, die es hat, um erfolgreich zu sein. Dazu ist es wichtig, dass die Räume den Kindern vermitteln, dass sie hier sein dürfen, wie sie sind“, so Giffoni und Wörster. Dass ein multiprofessionelles Team, das sich unter anderem aus Medizinern, Pädagogen und Psychotherapeuten zusammensetzt, ein solches Umfeld für seine wissenschaftliche Arbeit nutzt, ist das Novum, das beide Häuser verbinden wird. „Unser gemeinsames Ziel ist es, Kindern trotz eines schweren Starts die bestmöglichen Entwicklungschancen zu verschaffen. Über gewonnenen Erkenntnisse werden wir uns stetig austauschen“, so Dr. Wörster.
Das Projekt ist aber nicht nur ein Kooperationsprojekt zwischen dem bestehenden Wiehler und dem entstehenden brasilianischen Förderzentrum. Es ist auch eine Kooperation zwischen den Universitäten Siegen und Rio Verde, an denen auch die jeweiligen Fachbereiche Architektur beteiligt sind. Entwürfe des Zentrums wurden kürzlich in Siegen vorgestellt. Daneben ist das Projekt aber auch eine Kooperation der Stadt Rio Verde mit den Bürgern: Die Stadt hat ein Grundstück für den Bau des Zentrums bereitgestellt, an dem die Bürger nicht nur dadurch beteiligt sind, dass sie selber am Zentrum mit bauen werden. Sie dürfen auch über die Entwürfe der Architekten mitentscheiden. „Von einem Austausch auf so vielen Ebenen können alle Beteiligten nur profitieren“, sind Dr. Wörster und Prof. Giffoni überzeugt.