Ein Rededuell lieferten sich „Großvater“ Henning Venske und „Enkel“ Kai Magnus Sting am Donnerstag im ausverkauften Burghaus Bielstein unter dem Programm-Titel „Gegensätze“. Einziges Bühnenrequisit: Der Sessel.
Foto: Vera Marzinski
Streitpunkt und roter Faden im Programm. Auf diesem bequemen Sessel sitzt der Großvater im Altenheim und seziert das Gesagte des Enkels trocken-kritisch. Die Generation seines Enkels kommt nicht gut weg. So befindet er „Ihr verplempert das was eure Großeltern hart erarbeitet und eure Eltern geerbt haben.“ Nur den Sessel, den will er nicht hergeben. Er vermutet sogar, dass der Enkel den Großvater die Treppe runter schmeißen möchte, weil er sich gegen eine friedliche Konfliktlösung wehre. Vor Altersfeindlichkeit rät er dem Enkel ab, denn „wir haben die Mehrheit!“ und er sei sowieso nur ein Neo-Liberaler-Mittelstands-Komödiant.
Vor ausverkauftem Haus nehmen „Großvater“ Venske und „sein Enkel“ Sting in diesem fulminanten Kabarett-Theater-Dialog alles Gegensätzliche ins Visier, das das Leben zwischen Studentenwohnheim und Seniorenresidenz zu bieten hat. Sie fachsimpeln über die Leistungsgesellschaft im Hinblick auf den Nachwuchs – der steht nämlich an mit Urenkelin Gundula, deren Mutter noch bei den Eltern wohnt. Sie palavern über Gott und die Welt auf eine herrlich spritzige Weise. Grandiose Dialoge mit viel Hintergrund wurden den Gästen geboten. Der reinste Schlagabtausch. So stellt Großvater Venske gegen ein Schiller-Zitat des Enkels „Hells Bells“ von AC/DC. Der kommt direkt mit Sterbehilfe durch Zyankali und zusätzlicher Entfernungspauschale aus Brüssel daher. Selbstmitleid mit Mitte 70 kommt für „Großvater“ Henning Venske nicht in Frage. Denn wann beginnt das Alter? Diskriminiert werde man doch schon in jeder Lebensphase. Und schmunzelnd stellt der alte Herr fest: „Es gibt ja Menschen, die haben ein sehr langes „Alter“, weil sie schon sehr früh damit anfangen.“
Und eins betont Venske: „Heute Abend keine Politikernamen – ich will mir doch nicht den Abend versauen“ – aber dabei fließen mannigfache politisch-gesellschaftliche Themen mit in das Programm. Der 1939 in Stettin geborene Venske, hatte mit 22 Jahren sein erstes Bühnenengagement am Theater am Kurfürstendamm, Berlin. Venske ist einer, der sagt, was er denkt, der Sinn für Gerechtigkeit hat und mehr noch für Pointen – am liebsten eine nach der anderen. Seit dem 1978 befindet sich der 36jährige Kai Magnus Sting in ständiger Habachtstellung vor den Irrtümern des Lebens. Seine Karriere als Kabarettist und Autor nahm im Jahr 1992 nach einer Begegnung mit Hanns Dieter Hüsch ihren Anfang. Es folgten etliche Soloprogramme, über eintausend Auftritte, sechs CDs, ein Kriminalroman, ein Erzählband und ein Kriminalhörspiel. Und stets: Leute schauen, Leuten zuhören, merken, aufschreiben, erzählen. In Bielstein hieß es immer wieder „Mein Sessel – dein Sessel“. Der stand irgendwie im Mittelpunkt. Wollte ihn doch der Enkel für seine Bude haben und damit als „Sesselfurzer“ fungieren.
Schließlich kann er den Großvater überzeugen, der meint – vor der Pause im Burghaus – eine Zeitlang auch ohne das gute Teil auszukommen – „das steh ich schon durch.“ In seiner Bude genießt Enkel Sting den Besitz des Opa-Sessels mit einer zukunftsweisenden Lektüre: die Apothekenrundschau mit einem Tagebuch-Text eines Altenheimbewohners. Vermutet er doch sogar, Doping gibt es demnächst auf Krankenschein. Es wird scharf geschossen bei den beiden. Aber das ist eine Selbstverständlichkeit für gestandene Kabarettisten, wie die beiden es sind. Und so kontert der Enkel alias Kai Magnus Sting dem Großvater „Der Zyniker hier bist du, ich bin nur der genetische Anteilseigner“. Tiefgehend sind die Dialoge der beiden, die doch mit viel Leichtigkeit zu einem genialen Programm werden. Das begeistert – auch Comedian Bastian Pastewka, der sich unter die Zuschauer gemengt hatte. Ja und der Sessel? Den überlässt der Enkel dann doch dem Großvater – „Nimm den Sessel – ist ja nicht mehr so lang. Das steh ich durch.“
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Fotos: Vera Marzinski