Mit lautem Dampfertuten startete am Freitag der Literaturabend im ausverkauften Burghaus Bielstein. Die Grande-Dame des deutschen Krimis – Ingrid Noll – las aus ihrem neusten Roman „Über Bord“. Und über Bord ging tatsächlich jemand – im Roman.
Ingrid Noll – Foto: Christian Melzer
Margarete von Schwarzkopf begleitete Ingrid Noll auf der Kreuzfahrt durch diesen Literaturabend und stellte Fragen zum Buch und zum Leben der Schriftstellerin. Ingrid Noll wurde 1935 in Shanghai geboren und studierte in Bonn Germanistik und Kunstgeschichte. Aber erst nachdem die Kinder aus dem Haus waren, begann sie damit Kriminalromane zu verfassen. Dabei sind ihre Romane eigentlich eher Menschengeschichten. Sie zeigt die Verstrickungen in Beziehungen sowie die menschlichen Irrungen und Verwirrungen. Es sind Geschichten mit krimineller Sahnehaube.
Im neuen Buch: nur ein Mord. Beim ersten Bestseller „Der Hahn ist tot“ war eine Serienmörderin die Hauptperson. Da wollte sie sich wohl bei ihrem ersten Krimi (1993) im Bezug auf die Morde nicht lumpen lassen. Mittlerweile sind es elf Romane und vier wurden bereits verfilmt. Ingrid Noll nimmt den Leser auch schon ohne die Verfilmung mit in die Geschichte, die so lebensnah, witzig und doch mit manchmal recht schwarzem Humor ist. So kommt auch die Autorin rüber. Bei ihren Romanen hat Ingrid Noll den roten Faden im Kopf und weiß was passieren wird. Hin und wieder wehren sich ihre Protagonisten – dann ändere sie das Konzept, aber sie sei der Chef und habe das Ruder in der Hand, verriet sie mit einem Schmunzeln.
Das Buch „Über Bord“ beginnt mit den drei Protagonistinnen, die gemeinsam in einem Haus wohnen, das die Leute „Nonnenkloster“ nennen. Ellen, Amalia und Hildegard leben hier ohne männliche Mitbewohner. Ein Fremder, der eines Tages vorbeikommt, wirft das idyllische Leben der drei Frauen sozusagen „über Bord“. Bei der Lesung im Burghaus stieg Ingrid Noll jedoch direkt bei Kapitel 15 ein. Bei der Kreuzfahrt auf dem Mittelmeer gibt es einen Pilotenkoffer mit Hunde-Urne, ein schrulliges Paar, das eine psychiatrische Tierklinik leitet, eine des Öfteren stark alkoholisierte Rivalin sowie den schnell erschöpften Liebhaber. Bei Ingrid Noll muss man auf die Feinheiten achten – genau hinhören. Es ist eine leichte, spannende Unterhaltung vom Feinsten bei der Ingrid Noll die Zuhörer im Burghaus bis zu der Stelle mitnahm, an der der Mord passiert. Wer nun meint, die sympathische Schriftstellerin habe damit schon den Schluss ihres Buches vorweggenommen, der ist auf dem falschen Dampfer. Die Geschichte geht nämlich noch weiter – aber dazu muss man das Buch lesen.
Bei NDR-Kultur erklärte sie zum Buch: „Manchmal sind Menschen im Weg. Man kann sie nicht leiden und will sie eigentlich loswerden. In Gedanken geht das fast jedem so, aber man führt diese Tat nicht aus. Im Roman kann man sich aber austoben und kann ja mal sagen, was wäre wenn, und die Gelegenheit ist günstig. Dann wird eben gehandelt.“ Und so handelt eine der drei Hauptfiguren im Buch auf der Mittelmeer-Kreuzfahrt und „entsorgt“ die Ehefrau ihres Liebhabers. Doch sie ist nicht alles, was in diesem Roman „Über Bord“ geht. Die Lesung hat auf alle Fälle Lust auf mehr gemacht.
Wer Lust auf mehr Lesungen im Burghaus Bielstein hat: am 2. Oktober lesen Max Tidof & Tim Binding aus „Ship Ahoy“.
Vera Marzinski