Der Theologe, Journalist und Buchautor Stephan Kulle faszinierte die Gäste am Dienstagabend im Burghaus mit seinen Eindrücken und Erlebnissen aus „40 Tage im Kloster des Dalai Lama“ – so auch der Titel seines neusten Buches.
Stephan Kulle – Foto: Christian Melzer
Zur bereits 25. Literaturveranstaltung der Buchhandlung Hansen & Kröger kam dieser besondere Gast. Durch seine lebendige Erzählweise – Auszüge aus seinem Buch die er mit weiteren fesselnden Ausführungen ergänzte, dazu Bilder von seiner Zeit im Exil der Tibeter – verging der Kulturkreis-Literaturabend wie im Flug. Zum Flug Richtung Indien kam es durch die Idee seines Verlagschefs. Zwei Bücher über den Papst reichten und so sollte und wollte Stephan Kulle herausfinden, was so reizvoll am Buddhismus ist und ihn zur Livestile Religion macht. Von September bis Oktober 2008 lebte Kulle sechs Wochen in Mcleodganj, dem oberen Dharamsala, auf rund 2.000 Metern Höhe am Fuße des Himalayas. Was ihn dort faszinierte und schockierte in den 40 Tagen hat er auf rund 400 Seiten in seinem Buch beschrieben.
Dabei kam es nicht zu einer Bekehrungsgeschichte eines zum Buddhismus konvertierenden Katholiken. Dennoch hat Stephan Kulle einiges an Erfahrungen und Eindrücken mitgenommen, die ihn mehr als beeindruckten. Diese archaische, fühlbare Religion hat durch die Milde etwas besonders anziehendes. Zunächst war Stephan Kulle aber etwas schockiert von den Slums und dem Gestank. Doch die Mönche schafften es, dass er dies nicht mehr sah oder wahrnahm. Glaube habe nicht nur etwas mit dem Denken sondern auch mit dem Gefühl zu tun. Vielleicht sei das auch ein Grund, dass Menschen, die das dort einmal erlebt haben, davon so begeistert sind, stellte er fest. Mehr als beeindruckend: die Milde im Umgang miteinander. „Die sollte auch in die Etagen des Klerus einziehen“ plädierte Stephan Kulle.
Und er stellte fest: Josef Ratzinger und Tendzin Gyatsho, der 14. Dalai Lama, könne man eigentlich nicht vergleichen – bei Papstaudienzen auf dem Petersplatz entstehe eine riesige Freudenstimmung mit entsprechender Lautstärke. Taucht der Dalai Lama auf herrsche absolute Stille. Stephan Kulle fragte sich was eigentlich schöner sei und was dies über die Person aussage? Auch erstaunlich die Aussage des Karmapa – die Nummer drei der tibetischen Lama-Hierarchie – zur grundlegenden Glaubensfrage des Christentums, der Auferstehung: „Ja, das ist möglich“.
Viel Zeit verbrachte Stephan Kulle auch mit den Kindermönchen, die ihn spielerisch aufnahmen und ihn beeindruckten mit ihrem Lernpensum und ihrer Ausstrahlung. Eine Maxime des Dalai Lama ist es auch, dass das Leben vertan ist, wenn man nicht seine Kraft anwendet um zu lernen. So wurde Stephan Kulle den ganzen Tag mit Fragen gelöchert, obwohl er ja eigentlich etwas von den Mönchen wissen wollte. Rührend die Geschichte von dem alten Mönch, der ihm bei einem Treffen eine ganz besondere Orchidee schenkte. An einem Abend hatte der Mönch diese in seinem Überwurf verborgen und offensichtlich für Kulle mitgebracht. Dieses Geschehnis wirkte etwas mystisch – ein Augenblick der anders war als erwartet. „Sekunden, Minuten, für die man offen sein sollte und die man dankbar für sich bewahren sollte“, so Stephan Kulle. Die Blüte und das Lächeln des Mönches – dafür war Stephan Kulle dankbar. Eine der vielen Zeichen der Milde, die er dort im Norden Indiens fand.
Sehr erheiternd die Erfahrung, die Stephan Kulle mit Buttertee machte. Bei der Familie Gyamtso wollte er ein höflicher Gast sein und trank diesen Tee. Es wurden seine peinlichsten Minuten in den 40 Tagen. Ein Schluck dieser tibetischen Spezialität verschlug ihm alles und er war nicht mehr Herr seiner Mimik. Bratheringsoße, Ochsenschwanzsuppe und Öl gemischt schien sich hier vereint zu haben. Zudem lösten die Unmengen Salz sofort einen Würgereiz aus. Selbst ein trockenes Plätzchen nützte da nicht. Diplomatisch sagte er, dass der Tee anders schmeckte, als er erwartet habe. Da er nicht wusste, dass man die Hand über die Tasse halten muss, um nicht neu eingeschenkt zu bekommen, musste er leider auch die zweite Tasse „genießen“.
Am Fuß des Himalaya – da wo das Wetter sehr schlecht ist und die Luft sehr dünn – erlebte Stephan Kulle viel Beeindruckendes in 40 Tagen. In seinem Buch hat er keine Dogmen aufgeschrieben und gibt auch keine Glaubensvorgaben gibt – „Jeder soll so glauben wie er mag, deshalb muss man selbst wählen, ob man die stille Andacht beim Auftauchen des Dalai Lama oder den wilden Jubel beim Erscheinen des Papstes bevorzugt.“ Zum Abschluss des Literaturabends beantwortete Stephan Kulle noch einige Publikumsfragen.
Stephan Kulle, der unter anderem ein Buch über die Überwindung seiner Querschnittslähmung und eine Biographie des deutschen Papstes Benedikt XVI. schrieb, gelang es, seine Worte eindringlich zu vermitteln, sei es die Armut der Menschen in dem fernen Land, oder sei es die Ausstrahlung der Mönche auf ihn. Er begeisterte seine Zuhörer mit einer einzigartigen Mischung aus fundiertem theologischen Wissen, journalistisch recherchierten Informationen und ansteckender Leidenschaft. Ein kurzweiliger, informativer, anregender und spannender Abend in der Burg Bielstein.
Vera Marzinski
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