Kabarett auf der Grenzlinie von ernst und lustig, fromm und frech – das ist seit je her ein Markenzeichen des Kölner „Klüngelbeutel“. Am Freitag- und Samstagabend begeisterten sie vor ausverkauftem Haus in der Burg Bielstein das Publikum mit ihrer satirischen Reise durch die schöne bunte Kirchenwelt. Diese gestaltete sich sehr ökumenisch – es bekamen alle Kirchen etwas ab.
Seit zehn Jahren sind sie im Dienst der fröhlichen Verkündigung. Dabei zeichnet eine hohe Musikalität das „Klüngelbeutel“-Ensemble aus. Und auch eine gewisse Portion des unverwechselbaren Kölner Lokalkolorits gehört zu einem „Klüngelbeutel“-Programm in der Regel dazu. Diese beiden Komponenten mixten sie insbesondere im musikalischen Block mit Liedern die „Klüngelbeutel“ vor Jahren zum 1. Kölner ökumenischen Brückenweg verfasste. So bekamen die Taufspezialisten – die Baptisten – ein „Dat Wasser vun Kölle es jot“ und „Oh liever Jott jiv uns Wasser“. Der Orthodoxe sang, „Wenn ich einmal orthodox wär – bräucht ich nicht viel Predigt“. Ökumene in allen Facetten.
Auch in den „Szenen einer Ehe“ kam der Beziehungsstress im sogenannten „ökumenischen Miteinander“ deutlich zu Tage. Wolfram Behmenburg verkörperte die katholische Seite, Urlike Behmenburg die evangelische. Da wurde die Wahl des Bäffchens seitens der evangelischen Fraktion extrem schwierig und löste letztendlich ein geseufztes „Kann mit ihm über Sozialamt und Gentechnik diskutieren, aber über nichts Wichtiges“. Die Auseinandersetzung unterstrichen sie mit Liedeinwürfen, so sein „Eine Frau wird erst schön durch das Dienen“ und der Feststellung „Wenn du so wirst wie ich, wird Ökumene sein“. Und so tanzen sie in den siebenten Himmel – er führte und sie hatte ihn fest im Griff.
Kabarett und Kirche – brillant vorgeführt von Ulrike Behmenburg, beruflich mit halber Stelle als Sozialpädagogin tätig, und ihrem Mann Wolfram Behmenburg, Pfarrer mit halber Stelle in Köln-Weiden und gebürtiger Wiehler. Walter Kunz ist als Klavierspieler seit 1994 Mitglied des „kleinen Klüngelbeutel“ und Pfarrer in Köln-Porz-Wahnheide. In Wiehl hatte Kunz seinen 200. Auftritt mit „Klüngelbeutel“. Beim Ensemble handelt es sich also um aktive Kircheninsider. Im Oktober 2008 ist der „Klüngelbeutel“ mit dem ersten deutschen Kirchenkabarett-Preis ausgezeichnet worden: der „Honnefer Zündkerze“. Zum weiteren Ensemble zählen Ulrikes Bruder Friedrich Behmenburg, Pfarrer in Brandlecht bei Nordhorn, und dessen Frau Jutta, die als Finanzbeamtin tätig ist.
Nicht nur auf der Bühne wurde agiert, auch das Publikum wurde mit einbezogen in eine kleine Fußballgeschichte. In vier Gruppen aufgeteilt gaben die Gäste im Burghaus dann ein „Bim bam“ von sich, wenn Wolfram Behmenburg den Dom erwähnte, einige mussten Jodeln bei dem Wort „München“ und bei „Lukas“ kam ein kräftiges „Podolski“ aus den Stuhlreihen. Verschmitzt gestand Behmenburg, dass sie dieses Stück sein ein paar Jahren spielen würden und sich mittlerweile die Realität ihrer Geschichte angepasst hätte. Ein Gast musste seinen Stuhl abgeben um zu verdeutlichen, dass der moderne Mensch sein Leben absitzt. Selbst das Klo habe man zum Sitzmöbel gemacht. Auch in der Kirche hat der Stuhl seinen festen Platz, so ist das Leitungsorgan der katholischen Kirche der „Heilige Stuhl“ und „Jesus sitzt zur Rechten Gottes“.
Im Call-Center für Glaubensreklamationen – „Lamento“ – stand Schwester Esther (Ulrike Behmenburg) mit Rat und Tat bereit. Die erste Reklamation kam von einem Single, der im Gottesdienst nach seinem „Hallo Julia“-Rufen immer noch alleine war. Schwester Esther empfahl ein „Christel erbarme dich“ oder für über 18-jährige ein „Hose von Anna“. Einem Kannibalen aus Essen schmeckte das Abendmahl nicht. Schwester Esther kaute ihm das Ganze mit ausführlichen, fundierten Erklärungen vor – er musste ihre Ausführungen nur noch verdauen. Und der dreijährige Kevin forderte Schwester Esther auf, ihr Gesülze am Telefon einzustellen und ihm lieber zu sagen, wo er seine Taufkerze gegen einen Gameboy eintauschen könne.
Als Kantor im Hausmeisterkittel musste Wolfram Behmenburg nach der Gemeindeversammlung in der Kneipe aufräumen. Er sei der einzige Hauptamtliche und das dann noch mit Minijob und auch das Kirchengebäude sei der Finanzkrise zum Opfer gefallen. Mit dem Publikum sang er „Zehn Kirchenangestellte sich des Lebens freuen, der Küster ging in Ruhestand, da waren’s nur noch neun“. Da noch immer einige wenige zu den Gemeindeversammlungen kämen schlussfolgerte er: „Wahrscheinlich findet sich der da oben nicht damit ab, dass wir hier unten Pleite machen“. Für die neue Orgel mussten aber alle übriggebliebenen Gemeindemitglieder aktiv werden – auch durch Blasen auf Bierflaschenhälsen kann man Kirchenmusik erzeugen.
Viele Lacher im Publikum brachte der Spruch „Willst Du froh und glücklich sein im Leben, lass kein Ehrenamt dir geben“ mit dem dazugehörigen Lied „Ich mach das schon“. Selbst beim Fest für die Ehrenamtler fehle am Ende der Plan fürs Aufräumen und wer sage dann „Ich mach das schon“? – logisch, die Ehrenamtlichen. Nicht nur das Ehrenamt nimmt ab, auch die Grabinschriften verzeichnen einen Rückgang. Früher hatten Pastoren auch die Aufgabe, die Grabinschriften zu kreieren, doch immer mehr verzichten auf den Grabstein, so wollen 15 Prozent der Kölner anonym begraben werden. Man solle sich doch seinen Grabstein bei Zeiten aussuchen und sich den doch ruhig was kosten lassen – man habe ihn ja doch für länger. Manche pilgern auch zur Kaffeefahrt von Leverkusen nach Holland ins Krematorium. Vergessene Urnen sollte man nicht von dort mitnehmen, denn die vermeintliche Tante könnte ja doch noch leben und dann schleppt man die fremde Urne mit sich mit rum.
Ein rundum kurzweiliges Programm mit vielen Denkanstößen und dem Fazit, dass die Religion das Lachen braucht, um sich nicht an sich selbst zu überheben. Ohne Zugabe konnte das fabelhafte Programm nicht enden. Zum Kirchentag 2007 hatte „Klüngelbeutel“ „Du bist Kölle“ umgeschrieben in „Du bist Kirche“ – eine selbstironische Liebeserklärung an die Kirche, die das begeisterte Publikum in der Burg beschwingt mitsang.
Vera Marzinski